Französisches Theater in der Region 20/21 (Auswahl)
Die Theater haben in diesen Zeiten besondere Umstände, uns ihre Kunst zu zeigen, und sie brauchen uns Zuschauer/innen mehr denn je. Hier eine Auswahl aktueller französischer Stücke in der Region. Auch wenn das E.T.A. Hoffmann Theater Bamberg dieses Jahr nichts aus dem französischen Kulturraum anbietet, verweisen wir auch auf deren spannendes Programm und alle anderen Theater in der Stadt.
Übersicht
Rhinocéros – Die Nashörner
Unsere erste digitale Produktion „Die Nashörner“ feiert am 9. Oktober Premiere auf unserem YouTube Kanal! Seid live dabei, wenn der digitale Vorhang hochgeht! weitere Termine: 10. Oktober 2020, 20:00 Uhr, auf unserem YouTube-Kanal – mit Gebärdensprachdolmetschung
„Okay, okay. So etwas dürfte es nicht geben. Das ist vollkommen absurd. Ganz richtig. Aber wegen dem Biest musst du dich doch nicht mit mir streiten.
Was für ein Drama du machst, nur wegen einem x-beliebigen, dahergelaufenen Unpaarhufer, der zufällig an uns vorbeigekommen ist?“
-Bérenger aus „Die Nashörner“ von Eugene Ionesco
In seiner tragischen Farce „Die Nashörner“ zeigt Eugene Ionesco eine Provinzstadt, in der eines Tages ein Nashorn durch die Straßen stürmt. Mit der Zeit werden es immer mehr Nashörner. Bald wird klar, dass es sich hierbei nicht einfach um wilde Tiere handelt, sondern vielmehr um die Bewohner*innen der Stadt, die sich nach und nach alle in Nashörner verwandeln. In immer größer werdenden Herden ziehen sie durch die Straßen und zertrümmern die menschliche Zivilisation.
Einzig die Hauptfigur Bérenger, ein etwas naiver Büroangestellter, und seine Freundin Daisy können sich dieser scheinbaren Epidemie noch eine Zeit lang entziehen. Doch auch Daisy entwickelt zunehmend Sympathien für die starken, widerstandsfähigen Nashörner und beginnt zu hinterfragen, ob nicht sie, als Mensch, falsch ist. Letztlich verwandelt auch sie sich in ein Nashorn und Bérenger bleibt als einziger Mensch zurück. Unfähig sich zu verwandeln, schließt das Stück mit seinen Worten „Ich bin der letzte Mensch. Ich werde es bleiben, bis zum Ende! Ich kapituliere nicht!“
Mit dem Motiv des ‚Nashorn-Syndroms’ hinterfragt Ionesco die verborgenen Triebkräfte von Massenbewegungen, die sich einer rationalen Logik verschließen. Menschliche Kultur und Moral erweisen sich dabei als fragile Gebilde, deren Zwängen sich der Einzelne gar zu gern im Schutz der Herde entledigt. Dagegen kann auch Bérengers leere Pose am Ende nichts ausrichten.
Die Freie Bühne München entwickelt auf Basis dieses Stückes eine Inszenierung im digitalen Raum. In Anbetracht von globalen gesellschaftspolitischen Entwicklungen in Zeiten von Pandemie und Digitalisierung ist Ionescos Stück aus dem Jahre 1959 beängstigend aktuell.
Die Inszenierung wird am 09. und 10. Oktober live auf unserem YouTube-Kanal gestreamt.
Alle Aufführungen werden untertitelt.
Mit: Burchard Dabinnus, Dennis Fell-Hernandez, Luis Goodwin, Frangiskos Kakoulakis, Stefan Kastner, Fabian Moraw, Veronika Petrovic, Gesa Romm, Luisa Wöllisch
Regie: Jan Meyer
Regie-Assistenz: Magdalena Vaith
Kostüme/Maske: Christiane Gassler
Videodesign/Technik: Raphael Kurig (WEAREVIDEO)
Digitale Visualisierung: Christian Gasteiger (WEAREVIDEO)
Sprach-Coach: Thomas Koch
Grafik-Design: Anca Goodwin
Produktionsleitung: Marie-Elise Fell
Gesamtleitung: Angelica Fell
Le petit prince – Der kleine Prinz
nach Antoine de Saint-Exupéry
Chapeau claque – Kinder- und Jugendtheater Bamberg
Ein Pilot stürzt ohne Trinkwasser über der Sahara ab. Während er versucht, sein Flugzeug zu reparieren, macht er inmitten der Sanddünen die merkwürdige Bekanntschaft des wundersamen kleinen Prinzen, der seiner Erzählung zufolge von einem fernen Planeten stammt und auf seiner Reise zur Erde zahlreiche Planeten bereist hat.
Eine zeitlose Parabel über Freundschaft und Liebe, über den Sinn und Unsinn des menschlichen Daseins und über den Wert und die Freude an den kleinen großen Dingen dieser Welt. Mit der Botschaft „Man sieht nur mit dem Herzen gut“ ist DER KLEINE PRINZ bis heute eines der meist zitierten Werke der Weltliteratur.
Dauer: ca. 60 Minuten, ab 4 Jahre
Bühnenfassung und Regie: Martin Neubauer
Ausstattung: Lena Kalt
Musik: Franz Tröger
Es spielen: Susanna Bauernfeind, Astrid Haas und Hans-Günter Brünker
Un dîner d’adieu – Das Abschiedsdinner
von Matthieu Delaporte und Alexandre de la Patellière
Deutsch von Georg Holzer
Abzüglich Dienstreisen, Familienfeiern, Hochzeiten, Beerdigungen, Elternabenden, Taufen, Eigentümerversammlungen und Bar Mitzwas bleiben Pierre und Clotilde in diesem Jahr genau 24 freie Abende, die sie so verbringen können wie sie es möchten und vor allem mit den Leuten, mit denen sie ihre Freizeit verbringen möchten. Wenn an acht bis zehn von diesen Abenden Einladungen zum Abendessen bei Freunden liegen, okkupieren ihre Freunde 35% der Zeit, die ihnen zur freien Verfügung steht. Eigentlich viel zu viel, wenn man bedenkt, dass man einen beachtlichen Teil der Einladungen nur aus Gewohnheit oder Pflichtgefühl annimmt. Aber man kann seine Freunde nicht einfach auf Eis legen oder zurückgeben. Ein Abschiedsdinner soll Abhilfe schaffen. Man lädt die zu Verabschiedenden ein, kocht ihr Lieblingsessen, kredenzt Wein aus ihrem Geburtsjahr, man holt sogar all die hässlichen Geschenke von ihnen, die man sonst gut versteckt hat hervor und unterlegt alles mit der Lieblingsmusik der Delinquenten. Ein letztes Mal schwelgt man in gemeinsamen Erinnerungen, feiert das zusammen Erlebte, genießt die Nähe der anderen. Dann fällt der Vorhang für immer. Die Freundschaft ist beendet. Keine Telefonate, keine Geburtstagskarten, keine langweiligen Abendessen mehr. Es klingt nach einem perfekten Plan für Clotilde und Pierre, der eigentlich nicht schief gehen kann. Das eigentlich wird jedoch schnell zum Dreh- und Angelpunkt der rasanten Komödie von Matthieu Delaporte und Alexandre de La Patellière, die mit „Der Vorname“ schon für einen Theater-Hit sorgten. Eigentlich sollten Antoine und Bea zum Dinner erscheinen, jetzt steht nur Antoine vor der Tür. Eigentlich darf der Verabschiedete nicht merken, dass hier der Freundschaft das letzte Abendmahl serviert wird und eigentlich sollte Pierre seine Willensschwäche überwinden und dem hypochondrischen Dauernörgler Antoine endlich den freundschaftlichen Gnadenstoß versetzen. Im Strudel aus ungarischen Psychoanalytikern, panierten Schweinefüßen und schwedischer Gymnastik gerät die Prämisse des Abschiedsdinners zunehmend ins Wanken. Kann man dreißig Jahre Freundschaft wirklich an einem Abend beenden, weil man dadurch drei freie Abende zusätzlich im Jahr gewinnt? Ob man am Ende eines solchen Dinners die Scherben wieder zusammensetzen kann, ob dreißig Jahre gemeinsame Zeit ein so starker Kitt sind, dass man dieses Porzellan gar nicht zertrümmern kann, egal wie sehr man es versucht, oder ob ein Abschiedsdinner eigentlich eine gute Idee ist und sie in Zukunft vorsichtig sein sollten, wenn man ihr Lieblingsessen kocht, loten Regisseur André Rößler und Ausstatterin Simone Graßmann gemeinsam mit Eva Marianne Berger, Frederik Leberle und Nils Liebscher aus.
Oh les beaux jours – Glückliche Tage
von Samuel Beckett (Der Autor selbst hat sein Stück „Happy Days“ ins Französische übersetzt, so führen wir das hier auch auf)
Becketts Portrait eines gealterten Paares, das sich trotz aller Widrigkeiten immer noch liebt, aber trotz aller Liebe zu keiner Nähe mehr finden kann: eingemauert in einen stetig wachsenden Erdhügel monologisiert Winnie ihrem erinnerungssatten Lebensabend entgegen. Willie – ihr schwerhöriger, wortkarger Ehemann, der sich nur kriechend fortbewegen kann – dämmert derweil kaum sichtbar in einem Erdloch vor sich hin. Winnie hört nicht auf zu reden: im krassen Widerspruch zu ihrer ausweglosen äußeren Situation stilisiert sie sich permanent zum Inbegriff eines glücklichen Menschen. Sie klammert sich an die Objekte ihres Alltags wie Zahnbürste oder Kamm, sowie an Sicherheit vermittelnde alltägliche Abläufe, stets bemüht, ihre Tage zu glücklichen zu erklären. Die routiniert-unnahbare Zweierbeziehung wird von Beckett entlarvt: ein ans Absurde grenzender Zweckoptimismus zerfließt zu allergrößter Verzweiflung – und umgekehrt.
Der irische Schriftsteller Samuel Beckett erhielt 1969 den Nobelpreis für Literatur und gilt als eine der Schlüsselfiguren der Moderne sowie des absurden Theaters. „Glückliche Tage“, einer der radikalsten Theatertexte des zwanzigsten Jahrhunderts, wurde 1961 in New York uraufgeführt und thematisiert das Überleben des Menschen durch Anpassung an scheinbar unerträgliche Lebensumstände. Bereits kurz nach der Premiere nahm die britische Tageszeitung „The Independent“ das Stück in ihre Liste der „40 besten Stücke aller Zeit“ auf.
Bühne: Michel Bövers
Kostüme: Heike Betz
Lightdesign/Ton: Ronald Kropf
Es spielen: Heike Hartmann, Hans Striedl
70 Minuten, Premiere: 05.12.2020
Bartholomäusnacht – ein Requiem (UA)
vgl. Eintrag auf unserer Website
von Thomas Krupa
Premiere 11.09.20, Markgrafentheater
Regie … Thomas Krupa
Ill.: E.T.A.-Hoffmann-Theater Bamberg, Zuschauerraum, Wappen, Creative Commons License