Vortrag über Karine Tuil: Du sexe féminin

Sprache und Kultur, Universität

Im Rahmen der Bamberger Veranstaltungsreihe Kulturen der Jüdischkeit spricht

Prof. Dr. Marina Hertrampf (Universität Passau) über

Mütter und Töchter oder der gescheiterte Emanzipationskampf einer „juifemme“: Karine Tuils Du sexe féminin (2002)

Mo. 2. Mai 2022, 16–18 Uhr, Raum: U5/01.18

Es ergeht herzliche Einladung. Der Vortrag findet in deutscher Sprache statt, die Zitate werden auf Französisch und Deutsch bereitgestellt.

Deutsche Übersetzung: Schaumhochzeit, Leipzig: Kiepenheuer & Witsch, 2003.

Besprechung des Buchs von Céline Darner (in dt. Übersetzung):

Du sexe féminin

Alles über meine Mutter! Das ist der andere Titel, den Karin Tuil ihrem dritten Roman hätte geben können. Eine jüdische Mutter, noch dazu eine, die hier mit all ihren Fehlern und Schwächen von ihrer eigenen Tochter erzählt wird. Emma ist dreißig Jahre alt, Lektorin bei einem Verlag für erotische Literatur und lebt unter dem Einfluss, der Missbilligung und der Autorität der Mutter.

Kein Zufall, dass ihr Bruder nach New York gezogen ist? Denn hier ist eine Mutter, Nina Blum, die keine Angst vor Übertreibungen hat. Als Gesetzgeberin und Frauenfeindin manipuliert sie den Imperativ, zählt Gesetzesartikel auf, die dem göttlichen Gesetz ähneln, spielt mit einem Arsenal an moralischen Sanktionen und wechselt zwischen Erpressung und emotionalen Drohungen.

Mit dem Titel der „guten Mutter“ und der würdigen Witwe ausgestattet und zur Ikone erhoben, verlangt sie von ihrer Tochter Ehe und Fortpflanzung, verbietet ihrem Sohn die Scheidung und sucht nach seiner Vaterschaft. Sie schikaniert, berät, richtet und durchsucht das Privatleben ihrer Kinder. Eine Mutter, die sowohl die Mutter von Albert Cohen als auch von Woody Allen ist! Eine Madame Lepic und eine Folcoche. Unerträglich, geschwätzig, wortreich, mit ihrem ganzen Gewicht auf dem Altar der Mutterschaft.

In Interdit, ihrem vorherigen Roman, jonglierte Karin Tuil mit Unsinn und dem Judentum. In Du sexe féminin nimmt sie die gleiche Jonglage wieder auf und fügt einen Sinn für Übertreibung hinzu, indem sie das Mutterporträt bis zur Karikatur treibt. Das ist zu viel, so viel, dass man am Ende immer lacht. Und am Ende der Übertreibung ist die Umkehrung von Situationen und Verhaltensweisen nicht der geringste Erfolg des Textes.

 

Ill.: Karine Tuil, Wikipedia